Copyright 1980, Dr. Paul-J. Hahn
Die präzise Ausrichtung parallaktischer Montierungen Astro-optischer Geräte auf den Himmelspol d.h. die genaue Parallelisierung der Rektaszensions- zur Erdachse ist in der Tat kein leichtes Unterfangen (Beispiel: Das Scheiner-Verfahren). Natürlich ist dieses für ortsfest aufgestellte Teleskope eine unverzichtbare Selbstverständlichkeit, hat man dort aber doch auch die Möglichkeit, die Ausrichtung über längere Zeiten hinweg immer weiter zu verbessern. Bei den unzähligen transportablen Geräten, die nur für kurze Himmelsbeobachtungen, selten länger als für eine Nacht, aufgestellt werden, müssen sich die Sternfreunde meist nur mit einer groben Ausrichtung genügen, für einfache visuelle Studien meist ausreichend, nicht aber für höhere Ansprüche, namentlich fotografische Arbeiten längerer Belichtungszeit. Gut vorjustierte Montierungen lassen sich zwar schnell mittels Libelle und Kompaß ausrichten, aber auch diese Methode hat ihre Grenzen. So folgt die Entwicklung der hier beschriebenen Strichplatte dem Konzept des Polsuchers nach Rummel, im Grunde nur darin verbessert, daß die Position des Himmelspols nicht nur durch 2 sondern 3 polnahe Sterne erfolgt UND daß diese Strichplatte der Polwanderung infolge Präzession der Erdachse Rechnung trägt.
Dieses Prinzip ist eigentlich denkbar einfach, nachdem der hohe Aufwand in die Erstellung der Strichplatte investiert wurde: Bringt man den Polarstern a-UMi (bzw. 1s der internationalen Polsequenz) nebst zwei seiner helleren Nachbar-Sterne 2s und 6 der Polsequenz in die durch eine Okular-Strichplatte vorgegebenen Soll-Positionen, so schaut das Fadenkreuz des Fernrohres exakt auf den Himmelspol. Will man diese Strichplatte für unterschiedliche Brennweiten von Sucher-Objetiven gestalten, so wird aus den Soll-Positionen der Sterne eine winkeltreue, skalierte Linien-Spinne mit der Forderung, daß die drei Sterne auf ihrer jeweiligen Linie nun beim identischen Skalierungswert erscheinen. So bilden sich die drei Sterne mittels eines Objektives von 200 mm Brennweite unter dem Skalenwert 0,524 ab (siehe Abb. 2). Damit läßt sich nun auch die Polwanderung infolge Präzession mit ihrem Zyklus von ca. 25000 Jahren in die Strichplatte einarbeiten, die ihre Null auf das Jahr 1980 bezieht. So wandert der Pol innerhalb von 10 Jahren, mit dem 200 mm Objektiv beobachtet, 0,262 Skalenteile in Richtung 0h.
Mittels eines mit einer solchen Strichplatte ausgestatteten Sucher-Fernrohres läßt sich nun die Ausrichtung einer parallaktischen Fernrohrmontierung mit hoher Genauigkeit durchführen. Unter der Deklination 90o schaut das Sucherfernrohr parallel zur Rektaszensionsachse zum Pol. Nun justiert man die Polhöhe mittels der Nivellierschrauben des Stativs sowie die Nord-Ausrichtung so lange, bis die drei Polsterne in ihren Soll-Positionen erscheinen, wofür das Okular drehbar gestaltet ist. Ist diese Drehung am Okular mit Teilkreisen versehen, läßt sich damit gar die Sternzeit ablesen. Die Montierung ist nun Pol-justiert.
Natürlich setzt dieses voraus, daß die optische Achse des Sucherfernrohrs exakt parallel zur optischen Achse des Hauptteleskops justiert ist, daß dieses Teleskop mit seiner Wiege exakt 90o auf der Deklinationsachse steht und letztere natürlich exakt 90o auf der Rektaszensionsachse, wovon man sich leicht überzeugen kann: Ist das Teleskop auf Deklination 90o ausgerichtet und schwenkt man nun in Rektaszension, so müssen sich die Sterne, in irgendeine Himmelsgegend geschaut, im Gesichtsfeld konzentrisch drehen. Alles andere deutet auf Justage- oder gar technische Mängel hin.
Die vorhandenen Strichplatten sind nach einer großen A3-Vorlage mittels einer foto-chemischen Ätzung hergestellt worden. Anschließend wurden die Striche "weiß eingelassen", wodurch sie sich selbst bei sehr schwacher seitlicher Beleuchtung (Acrylglas-Aufnahme der Strichplatte) hell und deutlich vom dunklen Himmelshintergrund abheben. Am Tage erscheinen die Striche schwarz. Ein mit dieser Strichplatte ausgerüstetes Sucherfernrohr zeigt Abb. 1. Der Blick durch den Sucher auf den Himmelspol ist in Abb. 2 skizziert.. Die Strichplatte dient also auch als Fadenkreuz.
Angesichts der heutigen elektronischen Ausrüstungen moderner Amateur-Teleskope erscheint diese Strichplatte aus dem Jahr 1980 allerdings doch als Nostalgie.