Kugelblitz und Kernfusion

Dr. Paul-J. Hahn

Der im NET-Journal, Heft 3/4, 2003 beschriebene hochenergetische Plasmaselbsteinschluß des Kugelblitzes könnte die bis dato vorhandene Beschränkung der Plasmafusion auf die Deuterium-Tritium-Reaktion überwinden und die Möglichkeit eröffen, geeignetere Reaktionen und Kernbrennstoffe auszunutzen. Insbesondere die Protonen-gekoppelte Kettenreaktion vom Lithium-Isotop 6Li rückt in den Mittelpunkt des Interesses.

Temperaturstabilität des Kugelblitz-Plasmas

Im NET-Journal März/April 2003 wurde der Kugelblitz als entarteter Hochfrequenz-Hohlraumresonator gedeutet, dessen elektrischen Mega-Ströme in der sphärischen Oberfläche ganz offensichtlich in der Lage sind, gigantische "Pinch"-Drucke für einen Plasma-selbsteinschluß aufzubauen mit entsprechenden hohen Temperaturen. Erläutert wurde, daß die Temperaturstabilität derartiger Gebilde solange gegeben sei, wie die Zeitkonstante der einschließenden Hochfrequenz bezüglich der Nulldurchgänge ihrer Schwingung hinreichend klein ist gegenüber der Zeitkonstanten einer thermischen Explosion des Plasmas.

Diese Zusammenhänge sind in Abbildung 1 dargestellt. Dabei wurde die Zeitkonstante der HF-Schwingung τHF aus der Gleichung des Plasmaresonators λ = 1,14 D1 mit seinem Durchmesser D unter Zuhilfenahme der Beziehung τHF = λ/c (Lichtgeschwindigkeit c) abgeleitet. Die Zeitkonstante der thermischen Explosion τexpl ist anzusetzen als τexpl = D/a mit der Schallgeschwindigkeit a. Für den betrachteten Temperaturbereich > 1Mio.oK wurde für die Abschätzung dieser Schallgeschwindigkeit folgend ein voll-dissoziiertes, also ein-atomiges Gas angenommen, und zwar exemplarisch für Luft, gerechnet als ein-atomarer Stickstoff N, sowie für ein Fusions-Brennstoffgemisch von Lithium 6Li und Deuterium D (s.u.), also D = 2H. Man erkennt, daß die Forderung für eine Temperaturstabilität τHF « τexpl , oder anders formuliert,

τHF / τexpl « 1

selbst bis zu Temperaturen von 103 ÷104 Mio.oK gut erfüllt bleibt, was einer Anwendung für die Einleitung vor Kernfusionsprozessen außerordentliche Perspektiven eröffnen könnte.

Diskussion möglicher Kernreaktionen

Bekanntlich gehen die heutigen Großexperimente zur Realisierung eines Fusionsreaktors grundsätzlich von der Fusionsreaktion D + T aus,

T + D = n (14,1 MeV) + 4He (3,5 MeV)[ Gl.1 ]

verwenden also das natürliche Wasserstoff-Isotop D = 2H sowie das Wasserstoff-IsotopTritium T = 3H. Letzteres muß leider erst "künstlich" aus Lithium über Neutronenbeschuß in einem Reaktor erbrütet werden:

n + 6Li = 4He (2,1 MeV) + T (2,7 MeV)[ Gl.2 ]

Wie schade (!), daß die bei dieser "Kernspaltung" des Lithiums freigesetzte Energie in Summe von 4,8 MeV im Lithium-Target weggekühlt verloren geht. Würde eine solche Reaktion im Plasma selbst ablaufen, hätten die Tritium-Kerne bereits genügend Energie für die angestrebten Fusionsstöße mit den Deuterium-Kernen, bräuchten also überhaupt nicht erst mit hohem Aufwand wieder aufgeheizt zu werden. Leider taugen aber die Neutronen nicht für einen elektromagnetischen Plasmaeinschluß und so würde dieser Gedanke zunächst einmal konsequent zur Wasserstoff-Bombe führen (s.u.).

Leider müssen sich die heutigen Konzepte für einen Fusionsreaktor auf die D-T-Reaktion beschränken, da sich diese plasmaphysikalisch als die noch am "einfachsten" zu erreichende anbietet, die aber durch die massiv auftretenden "harten" Neutronen und deren Folgen hinsichtlich "radioaktivem Schmutz" den herkömmlichen Atomreaktoren kaum etwas nachsteht. Die Vielzahl von Fusionsreaktionen anderer möglicher Kernbrennstoffe sind aber mit ihren nochmals gesteigerten Temperaturanforderungen für die heutigen Plasma-Konzepte noch sternenweit unerreichbar. Der Plasmaselbsteinschluß nach dem Prinzip des Kugelblitzes könnte hier nun die Chance öffnen, aus dieser argen Beschränkung möglicher Kernreaktionen herauszukommen.

Da ist zunächst die (p,a)-Reaktion zwischen Protonen p mit Lithium 6Li analog Gl.2

p + 6Li = 4He (2,2 MeV) + 3He (1,7 MeV)[ Gl.3 ]

gewissermaßen ebenfalls eher eine Spaltungs- denn Fusionssreaktion, bei welcher neben dem a-Teilchen (4He) nun statt des Tritiums hier ein Kern des Helium-Isotops 3He entsteht mit genügend hoher Energie, um nun seinerseit weitere Reaktionen auszulösen, wie beispielsweise

3He + D = p (14,7 MeV) + 4He (3,7 MeV)[ Gl.4 ]

Neben der "Atom-Asche" Helim-4He wird jetzt wieder ein hochenergetisches Proton frei, was nun seinerseits gemäß Gl.3 einen 6Li-Kern zu spalten in der Lage ist, womit sich die Kette schließt. Sämtliche Partner dieser Kettenreaktion sind geladene Ionen und damit elektromagnetisch einschließbar. Addiert man die jeweiligen Seiten der Gl.3 und Gl.4 und kürzt anschließend gleiche Partner auf beiden Gleichungsseiten, so erhält man die Protonen-verkettete Summenformel Gl.5:

p+ 6Li = 4He + 3He[ Gl.3 ]

3He + D = p+ 4[ Gl.4 ]


p + 6Li + 3He + D = 4He + 3He + p + 4He + 22,3 MeV          
6Li + D = 2 4He + 22,3 MeV[ Gl.5 ]

Diese Summenformel Gl.5 ergibt sich übrigens auch über eine Neutronen-Verkettung:

n + 6Li = 4He + T [ Gl.2 ]

T + D = n + 4He [ Gl.1 ]


n + 6Li + T + D = 4He + T + n + 4He +22,3 MeV          
6Li + D = 2 4He + 22,3 MeV[ Gl.5 ]

Die Bedeutung des ganzen Spektrums solcher Kettenreaktionen insbesondere die Reaktionsauslösungen durch Neutronen mit den Iostopen des Lithiums, die verstärkte Generierung überschüssiger Neutronen mit 7Li sowie auch die unmittelbaren Reaktionen zwischen den freigesetzten Tritiumkernen mit Lithium selbst, beispielsweise

n + 6Li = 4He + T [ Gl.2 ]

T + 6Li = 2 4He + n           +15,8 MeV[ Gl.6 ]


n + 6Li + T + 6Li = 3 4He + T + n + 20,7 MeV          
2 6Li = 3 4He + 20,7 MeV[ Gl.7 ]

hat Dr. Ronald Richter3 bereits Ende 1942 erkannt, inklusive des Potentials für die Konstruktion der Wasserstoff-Bombe, also noch bevor Teller in den USA seine erfolglosen Arbeiten an seiner "Eisschrank"-Bombe auf der Basis der D-T-Reaktion von verflüssigten D und T begonnen hatte. Wegen der Unmöglichkeit des elektromagnetischen Einschlusses von Neutronen hat Richter 1951 auch die neutronenlosen (Protonen-verketteten) Lithium-Reaktionen als Notwendigkeit für einen Fusionsreaktor erkannt4 und seinen Experimenten zugrunde gelegt und alles deutet darauf hin, daß er in seiner Pulsplasmazone flukturierende Kugelblitz-Phänomene ausnutzte.

Leider weist aber auch die Protonen-verkettete D-6Li-Reaktion einen Schönheitsfehler auf: Im Plasma reagieren auch die Deuteronen untereinander mit unerwünschter Generierung harter Neutronen und Tritium-Kerne. Ein diesbezüglich günstigerer Reaktionszykus, allerdings mit nochmals gesteigertem Temperaturanforderungen, ist

p + 6Li = 4He + 3He [ Gl.2 ]

3He + 6Li = 2 4He + p [ Gl.6 ]


p + 6Li + 3He + 6Li = 3 4He + 3He + p +20,7 MeV          
2 6Li = 3 4He + 20,7 MeV[ Gl.7 ]

dessen beteiligten Reaktionspartner auch untereinander oder in parallelen Reaktionsverzweigung alle sämtlich "sauber", also ohne Entstehung von Neutronen ablaufen. Zwar ist prinzipiell die Generierung von Deuteronen durch Protonenfusion und 3He-6Li-Stöße möglich, die anschließend wieder untereinander reagierend zu Neutronen führen würden, jedoch geht die Wahrscheinlichkeit hierfür gegen Null.

Die bisher diskutierten Reaktionszyklen lassen das Bestreben erkennen, auf Deuterium und Tritium im besonderen zu verzichten (also zugunsten einfacher Wasserstoff-Protonen), wobei der andere Kernbrennstoff weder mit den Protonen noch mit sich selbst oder den entstehenden Atomkernen keine unmittelbaren oder nachfolgenden Reaktionsverzweigungen aufweist, die zu Neutronen führen könnten. Daher scheidet auch das Lithium-Isotop 7Li aus, weil durch Protonenstoß überwiegend Neutronen entstehen würden. Mit steigendem Atomgewicht rückt als nächste noch die Beryllium-Reaktion ins Interesse

p + 7Be = 2 4He + 18,2 MeV[ Gl.2 ]

die allerdings aus jetziger Sicht keinen Vorteil gegenüber der Protonen-verketteten Fusion von 6Li aufweist.

1 Siehe NET-Journal Jg. Nr.8, Heft ¾, März/April 2003
2 Eine umfangreiche Zusammenstellung findet sich in:
   U. Schumacher, Fusionsforschung - eine Einführung, Darmstadt: Wiss. Buchges. 1993
3 Wissenschaftlicher Nachlaß Dr. R. Richter, "The German Story", Seite 6
4 Wissenschaftlicher Nachlaß Dr. R. Richter, Chronologie, Eintrag vom 16. Feb. 1951  

Fortsetzung folgt