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Hauptschriftleiter: Professor Dr. rer. nat. Dr. med. E. H. Graul, Marburg/Lahn, Ockershäuser Allee 4 |
Monatszeitschrift für angewandte Atomenergie. In Technik, Industrie, Naturwissenschaften, Medizin, Landwirtschaft und Grenzgebieten |
Verlag: G.Braun (vorm. G.Braunsche Hofbuchdruckerei u. Verlag) G.m.b.H Karlsruhe, Karl.Friedrich-Straße 14 - 18 |
4. Jahrgang | Sonderdruck aus Heft 4 | April 1958 |
Die argentinischen Kernfusionsversuche in neuem Licht
von W. Ehrenberg
Zusammenfassung
Der Verfasser berichtet aus eigener Kenntnis der Personen und Umstände über die von R i c h t e r 1950/51 in Argentinien angestellten Kernfusionsversuche.
Summary
The author reports, from a personal knowledge of the persons and circumstances involved, on the nuclear fusion experiments carried out by R i c h t e r in Argentina in 1950-51.
Resumen
El autor nos informa, basándose en el propio conocimiento,tanto de las personas como de las circunstancias, sobre los experimentos de fusión nuclear, realizados por R i c h t e r en la Argentina, durante los aňos 1950 y 1951.
Wie die meisten Leser sich erinnern werden, wurde die 1951 aus Argentinien kommende Nachricht über Versuche Dr. Ronald Richters zur Entwicklung eines Thermonuclear-Reaktors großenteils dahingehend kommentiert, derartige Experimente seien sinnlos, da eine sich selbst erhaltende Kernfusionszone Sonnendimensionen voraussetze. Inzwischen hat sich die Einstellung der Fachwelt zu dieser Frage gründlich geändert, wie u. a. auch aus dem Aufsatz von E.H. Graul: "Kontrollierte thermonucleare Reaktionen als mögliche Energiequelle für die Zukunft" [1] hervorgeht. Doch hat dies bis jetzt noch nicht zu einer gerechteren Einschätzung des Richter'schen Beitrags geführt. Die Verbreitung der irrigen Meinung, daß ein solcher nicht vorhanden sei, war der Gegenschlag auf die 1951 erfolgte Aufbauschung seiner Ergebnisse durch die Presse, unterstützt durch politische Interessen. Tatsache ist jedoch, daß R. Richter schon vor 1949 einen Weg gegangen ist, der im Lichte der inzwischen von anderen Stellen veröffentlichten Ergebnisse höchste Beachtung verdient.
Eine 1950/51 verschiedenen argentinischen Regierungsvertretern vorgeführte und von diesen mißinterpretierte Versuchsanlage Richters in Bariloche bestand, so viel sich erkennen ließ, im Wesentlichen aus einem hochinduktiven Gleichstromkreis mit Lichtbogenstrecke, deren Widerstand durch nachträgliches Einschalten eines magnetischen Querfeldes rasch erhöht wird. Unter gleichzeitiger Verschiebung des Emissionsmaximums über das violette Ende des sichtbaren Spektrums hinaus bildete sich hierbei eine etwa in der Mitte zwischen den beiden Elektroden und den beiden dazu senkrechten Magnetpolen frei im Raume schwebende Kugelzone höchster Leuchtkraft, von der eine intensive Schall- und Ultraschallerregung und in etwa Sekundenabständen Plasmaeruptionen wechselnder Heftigkeit ausgingen. (Eine Filmaufnahme eines ähnlichen, bereits 1949 in Córdoba durchgeführten Experiments hat Richter mir Anfang 1950 vorgeführt). Der bei ca. 200 Volt Betriebsspannung zunächst etwa 200 Amp. betragende Bogenstrom behielt diesen Wert nach dem Einschalten des Magnetfelds infolge der hohen Induktionsspannung in den ersten Sekunden größenordnungs-mäßig bei und sank mit einer mittleren Abklingzeit von ca. 10 sec auf einen Endwert von etwa 20 Amp. Die dabei von der Entladungsstrecke aufgenommene Induktionsenergie war also von der Größenordnung 100 kWs, was zur Aufheizung auf die von Post [2] geforderte "kinetische Temperatur" von 100 keV bei einer magnetischen Kompression von 1000 Atm für mehrere Liter Plasma ausreichen würde. Zwei Magnetspulen mit geschlitzten Eisenkernen zur Glättung des Induktionsverlaufs von je etwa 1 cbm Rauminhalt dienten als Energiespeicher im Entladungskreis.
Diese Verwendung eines den Widerstand und damit die Energie-aufnahmefähigkeit der Entladungsstrecke erhöhenden magnetischen Querfelds im Gegensatz zu dem meist empfohlenen magnetischen Längsfeld [3] oder dem bloßen Eigenfeld einer Kondensatorentladung [4] löste zugleich das Problem der rationellen Aufheizung des Plasmas. Daß eine Kondensatorentladung hierzu wenig geeignet ist, hat Richter [5] schon 1950 vorausgesehen. Dies hat sich inzwischen bei amerikanischen [6) und russischen [7] Großversuchen bestätigt, wo nur einige Promille der hineingesteckten Energie zur Aufheizung nutzbar gemacht werden konnten. Der Grund liegt in dem zu geringen Eigenwiderstand einer normalen Gasentladung, der auch durch ein magnetisches Längsfeld nicht nennenswert beeinflußt wird.
Die Ende 1952, also nach nur dreijährigem Bestehen, erfolgte Schließung der Richter'schen Forschungsstelle war, wie ich seinerzeit in Buenos Aires feststellen konnte, vor allem durch "psychologische Nebeneffekte" bedingt, ebenso wie der anschlies-sende Verleumdungsfeldzug gegen Richter.
Was seit der Genfer Atomenergiekonferenz 1955 an einschlägigen russischen und amerikanischen Ergebnissen veröffentlicht wurde, gründet sich fast durchweg auf Stoßversuche, auch der sog. "pinch"-Effekt, wie Allen [8] nachweisen konnte. Stoßprozesse erreichen jedoch, wie eine Betrachtung der freien Weglängen zeigt, erst bei Wasserstoffbomben-Dimensionen eine positive Energiebilanz, sind also vom Standpunkt geregelter thermonuklearer Energiegewinnung eine Sackgasse. Der Verdacht liegt daher nahe, daß die starke Hervorhebung gerade des "pinch"-Efftektes in den spärlichen Veröffentlichungen der für die amerikanischen und russischen Geheimprojekte zuständigen Forscher ein Tarnmanöver ist, das die Öffentlichkeit von aussichtsreicheren Wegen ablenken soll.
Die ebenfalls erstmalig von Richter angeregten und 1952 vom Verf. durchgeführten Versuche zur Anreicherung von schwerem Wasser in Hinblick auf seine Verwendung als thermonucleare Energiequelle durch fraktionierte Destillation [9, 10] ist inzwischen von Du Pont zur technischen Reife entwickelt worden, wie 1955 bekannt wurde [11].
Literatur
[1] Graul E.H.: Atompraxis 2. 62 (1956)
[2] Post R. F.: Proc. I. R. E. 45, 2, 134 (1957)
[3] Burkhardt I.C. und Mitarb.: Journ. appl. Physics 28, 519 1957)
[4] Kurcatov I. V.: Atomkernenergie 1, 387 (1956).
[5] Richter R.: Persönliche Mitteilungen
[6] Colgate A. S. u.Mitarb.:"Neutron production in linear deuterium pinches". Abstr.3. Int. Conf. Ioniz., Venedig, 11.6. 1957
[7] Artsimovich L.A. und Mitarb.: Journ. Nucl. Energy 4, 24 (1957)
[8] Allen J. B.: Proc.Phys. Soc. (B) 70, 24 (1957)
[9] Ehrenberg W. und Jaffke H.: Z. angew. Physik 5, 4, 470 (1953)
[10] Ehrenberg W.: Techn. Rundschau (Bern) 8, 2 (1954)
[11] Maloney I. 0.: "Water-destillation-process for the isolation of heavy water as employed by E. I. du Pon de Nemours and Co., Inc., at Morgantown, W.Va." Natl. Nuclear Energy Ser., Div. III, 4 F, 53 (1955)